Der Kommunale Richtplan Zürich als Grundlage für die räumliche Entwicklung der Stadt © Stadt Zürich
11 gennaio 2022
Andrea Wiegelmann | Da un punto di vista personale
Stadtplanung im grossen Massstab - Zürich und der Kommunale Richtplan
Angesichts der erforderlichen weiteren inneren Verdichtung braucht es in Zürich (wieder) den Blick auf die Stadt als Ganzes. Wachstum kann nur dann nachhaltig gelingen, wenn übergreifend über das Stadtgebiet Gebäude, private wie öffentliche, Wohnen wie Gewerbe zusammengedacht werden mit den notwendigen Infrastrukturen, Frei- und Grünräumen.
Mit der 2014 verabschiedeten Revision des Raumplanungsgesetzes, das den achtsamen Umgang mit dem Boden und eine sparsame Ausweisung neuer Bauzonen fordert, gab der Bund den Kantonen den Auftrag, ihre jeweiligen Richtpläne entsprechend zu revidieren. Die daraus für die Stadt Zürich resultierende Aufgabe lautete bis 2040 Raum für circa 100'000 neue EinwohnerInnen zu schaffen. Landreserven gibt es aber nicht mehr und die noch freien innerstädtischen Areale sind in den letzten Jahren sukzessive bebaut worden: die Aufnahme weiterer BewohnerInnen bedeutet also die Verdichtung nach Innen.
Die damit einhergehenden Fragen sind vielfältig und komplex. Sie betreffen den Städtebau, den Hochbau, die Freiraumplanung ebenso wie die Verkehrs- und Infrastrukturplanung. Benötigt wird also eine Vorstellung, wie Zürich sich insgesamt über die nächsten Jahrzehnte entwickeln kann - unter Einbezug des Bestehenden. Es bedarf übergeordneter Ideen, die die Basis bilden für konkrete Eingriffe in den Quartieren, in einzelnen Arealen/Parzellen und die dabei immer die Stadt als Ganzes im Blick behalten.
Gut erschlossenes Entwicklungsgebiet in Altstetten © Andrea Wiegelmann
Gut erschlossenes Entwicklungsgebiet in Altstetten © Andrea Wiegelmann
Für die Suche nach Lösungsansätzen in einem solchen Massstab stehen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung, die in ihrer jeweiligen Zeit eingebettet sind. Für die Entwicklung einer übergeordneten Idee, wohin sich die Stadt entwickeln soll, wurde 1915 ein international ausgeschriebener Wettbewerb für Gross-Zürich lanciert. Auch diese Zeit war geprägt von einem enormen Bevölkerungszuwachs, wenn auch unter anderen Vorzeichen: Vor hundert Jahren war die Stadt noch nicht gebaut, sie konzentrierte sich weitgehend auf die Quartiere um den Hauptbahnhof. Die eingemeindeten Vororte waren noch deutlich als solche zu erkennen. Das rasante Wachstum fand nach Aussen statt - auf damals noch unbebauten Flächen - und musste kanalisiert werden. Es gab zu dieser Zeit keine Blaupause für die Orchestrierung des Wachstums, mit dem Zürich konfrontiert war. Stadtplanung, wie wir sie heute kennen, war als Disziplin noch nicht erfunden, doch das rasante Wachstum der Stadt machte die Notwendigkeit einer übergeordneten Planung offensichtlich.
Der Wettbewerb für Gross-Zürich wurde u.a. vom Stadtrat Emil Klöti (1877 – 1963) initiiert und war inspiriert vom Beispiel Berlin, das in einem weit grösseren Mass mit Wachstumsproblemen zu kämpfen hatte, zu deren Lösung 1909 der ‚Wettbewerb für einen Grundplan von Gross-Berlin’ ausgeschrieben worden war. Mit dem im Umgang und Ausmass für Zürich einmaligen Wettbewerb sollte ein Bild der zukünftigen Stadt gesucht und eine langfristige Entwicklung über die nächsten dreissig Jahre skizziert werden.
Heute, rund hundert Jahre später, steht die Stadt Zürich wieder vor einer in Umfang und Ausmass vergleichbaren Wachstums-Herausforderung aber mit gänzlich anderer Ausgangslage: Zürich ist gebaut. Was wir entwickeln müssen sind Vorstellungen und Strategien für eine innere Verdichtung, die die existierende Stadt ernst nimmt und diese – unter Einbeziehung des Bestands – weiterdenken und so zukunftsfähig transformieren kann. Stadtplanung ist zudem ein interdisziplinärer und kollektiver Prozess, der nicht von einzelnen Persönlichkeiten und Entscheidungsträgern gesteuert werden kann, sondern vielmehr eine politisch breite Abstützung erfordert, um Städtebau nachhaltig zu ermöglichen.
Erneuerungs- und Ergänzungspotential in Schwamendingen © Aita Flury
Erneuerungs- und Ergänzungspotential in Altstetten © Andrea Wiegelmann
Die Stadt Zürich hat sich für vor diesem Hintergrund des Kommunalen Richtplans als Planungsinstrument bedient. Er ist das noch fehlende Glied der von Bund und Kanton vorgegebenen formalen Planungsinstrumente, so benennt es der ehemalige Direktor des Amtes für Städtebau, Patrick Gmür, in einem Beitrag für die Zeitschrift archithese 2015. Das Besondere daran: Der Kommunale Richtplan Siedlung, Landschaft, öffentliche Bauten und Anlagen der Stadt Zürich ist schweizweit einer der ersten seiner Art.
Ebenso wie die Auslober des internationalen Wettbewerbs für Gross-Zürich vor hundert Jahren Neuland betreten hatten, hat das Amt für Städtebau der Stadt Zürich (AfS), das 2015 vom Stadtrat dazu beauftragt wurde, mit der Entwicklung des Kommunalen Richtplans Neuland betreten. Dieser konkretisiert die Vorgaben des Kantonalen und Regionalen Richtplans und kann somit‚ die räumlichen Voraussetzungen für die nachhaltige Entwicklung der Stadt Zürich vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums und der baulichen Verdichtung schaffen, wie Patrick Gmür weiter ausführt.
Bereits in seiner Strategie Zürich 2035 hat der Zürcher Stadtrat festgehalten, dass die Verdichtung räumlich differenziert und die gewachsenen individuellen Strukturen der einzelnen Quartiere erhalten bleiben sollen.
Neu geschaffener Parkraum mit Spielplatz und Sportfeld Kreis 5 © Andrea Wiegelmann
Die zentrale Fragestellung dahinter bleibt die Stadtentwicklung insgesamt: Gebaut wird dort, wo heterogene Strukturen dies ermöglichen und wo entsprechende Verkehrsinfrastruktur vorhanden ist, bzw. diese ausgebaut werden kann, so etwa in Altstetten, Oerlikon, Schwamendingen oder Leutschenbach. Denn neuen Wohnraum zu schaffen bedeutet auch neue Kindergärten, Schulen, Sport- und Freizeiteinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten und Grünräume mitzudenken. Dort, wo die Stadt bereits dicht und entwickelt ist, im Zentrum und den angrenzenden Quartieren, ist dies nur in sehr begrenzten Rahmen möglich. Diese Ausgangslage anerkennt der Richtplan. Der Kommunale Richtplan ist behördenverbindlich und weisst daher einen gewissen Abstraktionsgrad auf.
Mit der Annahme des Kommunalen Richtplans durch das Zürcher Volk im November 2021 ist die rechtliche Grundlage nun geschaffen, um die Innentwicklung in den Quartieren, einzelnen Arealen und Parzellen zu konkretisieren. Der Richtplan ist die Basis, um in die konkrete städtebauliche Planung einzusteigen und das skizzierte Bild von Zürich differenziert zu realisieren.
Freiraum Limmat Höngg © Aita Flury
Freiraum Friesenberg © Aita Flury
1 Siehe auch: https://www.stadtzuerich.ch/hb...
2 Siehe dazu: https://www.stadtzuerich.ch/pr...
Andrea Wiegelmann
Andrea Wiegelmann ist Architektin und, gemeinsam mit Kerstin Forster, Verlegerin des Zürcher Triest Verlags. Sie studierte unter anderem bei Thomas Sieverts Städtebau und befasst sich seither auf unterschiedlichen Ebenen mit Fragen des (Stadt)Raums. Einen Themenschwerpunkt im Verlagsprogramm bilden Themen und Problemstellungen der Raumplanung und des modernen Städtebaus sowie des Umgangs mit diesen angesichts drängender Fragen und der Notwendigkeit einer die Ressourcen, insbesondere den Boden, schonenden zukünftigen Planung und Entwicklung.
https://www.triest-verlag.ch