Mit dem Prinzip der Verdichtung durch Aufstockungen wird der grosse Baubestand der 1960er- Jahre ressourcenschonend weiterentwickelt © Christian Beutler/Schweizer Heimatschutz
18 gennaio 2022
Stefan Kunz | Da un punto di vista personale
Die Genfer Gemeinde Meyrin erhält den Wakkerpreis 2022
Mit dem Wakkerpreis 2022 zeichnet der Schweizer Heimatschutz die Gemeinde Meyrin (GE) aus. Die Genfer Agglomerationsgemeinde zeigt eindrücklich, wie mit Dialog die Vielfalt als Stärke genutzt werden kann. Damit gelingt es, die Anliegen von Menschen und Natur zusammenzuführen und eine hohe Baukultur mit mehr Biodiversität für alle hervorzubringen. Eine würdige Auszeichnung zum 50-Jahr-Jubiläum des Wakkerpreises.
Auf dem Gemeindegebiet von Meyrin starten regelmässig Flugzeuge und verbinden die Westschweiz mit der Welt. Im nicht weit davon entfernten CERN findet internationale Forschung auf höchstem Niveau statt. Diese Dynamik und die Stadtnähe haben die Bevölkerung seit 1950 um 1200% Prozent ansteigen und vielfältig werden lassen. Heute leben 26'000 Menschen aus mehr als 140 Nationen in Meyrin.
Durch den beständigen Willen, den Dialog mit und in der Bevölkerung zu fördern, ist es der Gemeinde gelungen, deren Vielfalt als Stärke zu aktivieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Umgang mit der Baukultur als Teil einer Strategie, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Vertrautheit in der Gemeinde ein hohes Gewicht beimisst.
Der historische Dorfkern des einst ländlich geprägten Meyrin ist gut erhalten. Die überlieferten Bauten werden gepflegt und an neue Bedürfnisse angepasst. Nicht wenige davon haben heute eine öffentliche Nutzung und ermöglichen Begegnungen im Herzen der Gemeinde.
Meyrin stellt das ehemalige Bauernhaus ‚La Planche’ seit dessen Instandsetzung den städtischen Landwirtschaftsgenossenschaften ‚Les Vergers’ zur Verfügung © Pierre Marmy/Schweizer Heimatschutz
Denkmalgeschützte Orte wie die ‚Villa du Jardin Botanique alpin’ oder die sich zur Zeit im Umbau befindende ‚Maison Vaudagne’ werden zu sozialen Zentren umgenutzt, sensibel renoviert und erweitert © Pierre Marmy/Schweizer Heimatschutz
Besonders prägend für das Bild von Meyrin ist die erste Satellitenstadt der Schweiz, die ‚Nouvelle Cité’, die im grossen Massstab in den 1960er-Jahren als Massnahme gegen die Wohnungsnot erstellt wurde. Das baukulturelle und soziale Potenzial der Nachkriegsarchitektur mit ihren grosszügigen Freiräumen wurde früh erkannt. Heute wird das riesige Ensemble nachhaltig saniert und nach klaren planerischen Vorgaben nachverdichtet – hauptsächlich durch Aufstockungen. Dabei wird das städtebauliche Gerüst beibehalten und mit Verkehrsberuhigungen und landschaftlichen Projekten werden die Freiräume aufgewertet.
Die ortsbildprägende Struktur der Satellitenstadt wurde erhalten. Das herausfordernde Erbe der Autostadt der Moderne wird in eine nachhaltige Zukunft des Langsamverkehrs und des Öffentlichen Verkehrs übergeführt © Pierre Marmy/Schweizer Heimatschutz
Ein von der Bewohnerschaft betriebener urbaner Landwirtschaftsbetrieb im Neubauquartier ‚Les Vergers’ sensibilisiert für lokale Produkte und ist zugleich Element der Freiraumgestaltung © Pierre Marmy/Schweizer Heimatschutz
Den jüngsten Schub hat die Gemeinde mit dem Bau des ‚Écoquartier Les Vergers’ erhalten. 1350 Wohnungen mit Platz für 3000 Menschen sind neu hinzugekommen. Für die Gemeinde Meyrin standen bei der Planung des neuen Quartiers ein ausserordentlicher Einbezug der Bevölkerung sowie die Ausrichtung auf soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit im Zentrum. Heute bieten zahlreiche Vereinigungen Möglichkeiten an, um am gemeinschaftlichen Leben mitzuwirken.
Mit langfristigen Visionen hat sich Meyrin innert zweier Generationen vom Bauerndorf zur lebenswerten und lebendigen Grossgemeinde innerhalb der Genfer Agglomeration entwickelt. Die Gemeinde macht mit ihrem Handeln deutlich, wie auf kommunaler Ebene Verantwortung für Mensch und Umwelt übernommen werden kann.
Die Preisverleihung an die Gemeinde Meyrin findet am 25. Juni 2022 unter der Teilnahme von Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Meyrin statt. Der Schweizer Heimatschutz freut sich sehr, zum 50-Jahr-Jubiläum Meyrin mit dem Wakkerpreis auszeichnen zu können. Meyrin steht sinnbildlich für die führende Rolle der Gemeinden bei der Schweizer Siedlungsentwicklung und hat exemplarisch bewiesen, dass hohe Baukultur gekoppelt an Klimaverträglichkeit und Biodiversität über die Jahre hin erreicht und gepflegt werden kann. Herzliche Gratulation zur verdienten Auszeichnung. www.heimatschutz.ch/wakkerpreis
Der ‚Lac des Vernes’ dient dem Abwassermanagement in der Gemeinde und ist zugleich ein Biotop zur Förderung der Artenvielfalt und ein beliebtes Naherholungsgebiet © Pierre Marmy/Schweizer Heimatschutz
Stefan Kunz
Stefan Kunz ist Landschaftsarchitekt und seit 2019 Geschäftsführer des Schweizer Heimatschutzes. Seit vielen Jahren engagiert er sich im Dreieck Baukultur, Landschaft und Biodiversität für identitätsstiftende Räume. Immer nach dem Motto Zukunft hat Herkunft liegt ihm ein sorgfältiger und respektvoller Umgang mit dem landschaftlichen und baukulturellen Werten des jeweiligen Ortes am Herzen. stefan.kunz@heimatschutz.ch