Christian Schnieper, Business Development Real Estate in der Fundamenta Group (Schweiz) AG und Stiftungsrat der Stiftung Baukultur Schweiz © Stiftung Baukultur Schweiz - Fotograf: Philippe Zürcher
13 giugno 2023
Stiftung Baukultur Schweiz | Da un punto di vista personale
«Baukultur ist Breitensport»
Christian Schnieper hat das Bauen von der Pike auf gelernt – und arbeitet nun im Real Estate Asset Management bei der Fundamenta Group (Schweiz) AG. Was er in Sachen Baukultur zu bewegen gedenkt, erläutert er im Gespräch.
Sie sind gelernter Hochbauzeichner, haben danach Architektur studiert, waren Stadtarchitekt von Zug und sind nun im Bereich Real Estate Asset Management tätig. Wie kam dieser Werdegang?
Nach der Hochbauzeichnerlehre studierte ich in den USA an der Frank Lloyd Wright School of Architecture, und dort waren zwei Themen essenziell: die Identität des Orts und die gesellschaftliche sowie politische Relevanz des Architektenberufs. Als Architekt ist man nicht nur Künstler, sondern trägt auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Gerade in der Schweiz haben wir mit unserem basisdemokratischen und föderalistischen System eine hervorragende Ausgangslage, politisch aktiv zu sein. So war es für mich fast schon eine logische Konsequenz, dass ich mich erst parteipolitisch und später als Stadtarchitekt engagierte.
Zum Real Estate Asset Management kam ich über meine Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Zeit als Stadtarchitekt. Hauptsächlich über die gewonnene Erkenntnis, dass nicht Planer, Behörden oder Politiker unsere Städte und Dörfer bauen, sondern es primär die Entwickler und Investoren sind, welche die Risikobereitschaft mitbringen, die unsicheren Planungsprozesse finanzieren und die Verantwortung für Investitionen tragen; und somit einen eminenten Einfluss auf unseren Lebensraum haben.
Sie wurden zum Stiftungsrat gewählt, ich gratuliere. Weshalb engagieren Sie sich in der Stiftung Baukultur Schweiz?
Mein Einsitz in den Stiftungsrat der Stiftung Baukultur Schweiz ist einerseits ein weiterer Schritt in meinem Engagement für gesellschaftliche Themen. Andererseits ist es uns bei der Fundamenta Group (Schweiz) AG ein wichtiges Anliegen, aktiv an der Diskussion über eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Baukultur in der Schweiz teilzunehmen. Wir wollen an der Gestaltung von Lösungen mit Blick auf die mannigfaltigen Herausforderungen im Bereich der Baukultur mitwirken. Ich sehe die Stiftung als eine Institution von nationaler Bedeutung, die tatsächlich etwas bewegen kann. Zugunsten einer hohen Baukultur muss eine Institution den Mut und die Kraft aufbringen können, inhaltlich und politisch aktiv zu werden. Man muss Dinge einerseits beim Namen nennen, das eigene Anliegen andererseits aber auch im Gesamtkontext einordnen können. Dazu gehört für mich zum Beispiel eine klare Haltung zur aktuellen Gesetzeslage in der Raumplanung. Hier gilt es, die Gesamtheit unserer Gesetzgebung dahingehend abzustimmen und zu harmonisieren, dass wir unsere gebaute Schweiz in eine verdichtete, nachhaltige und generationentaugliche Zukunft transformieren können.
Auch bin ich der Auffassung, dass die hohe Baukultur für die Schweiz in den kommenden Jahrzehnten eine entscheidende Schlüsselrolle einnimmt, weil sie einen gemeinsamen gesellschaftlichen Nenner darstellt. Auf diesem breiten Fundament können diverse spezifische, aber auch divergierende gesellschaftliche und politische Haltungen eine gemeinsame Grundlage finden. Für mich gilt: Wir müssen die Baukultur nutzen, um uns als Gesellschaft weiterzuentwickeln.
Zwei Themen werden uns dabei stets begleiten. Der Dialog über die Grenzen von Fach- und Bildungsdisziplinen hinaus. Dieser muss stattfinden, wenn wir als Gesellschaft laufend lernen und uns in unserem Tun verbessern und die baukulturelle Befähigung und Sensibilisierung der Bevölkerung intensivieren wollen. Konkret werden wir Berufsschulen und das Handwerk in den Dialog inkludieren und uns intensiv in der Vermittlung von Werten und Qualitäten in der breiten Bevölkerung engagieren müssen. Dies weil die Baukultur der Schweiz ein Abbild der gesamten Gesellschaft und nicht nur einzelner Fachgremien und Gesellschaftsschichten ist, so wie sie auch nicht durch einzelne prämierte Projekte, sondern durch die Gesamtheit der gebauten Schweiz definiert und repräsentiert wird. Deshalb engagiere ich mich im Namen und als Vertreter der Fundamenta Group (Schweiz) AG in der Stiftung.
Was ist denn eigentlich hohe Baukultur?
Ich definiere sie folgendermassen: Baukultur ist der gesellschaftliche Anspruch an die Qualität der gebauten Umwelt (Gebäude) und die daraus entstehenden Zwischenräume (Freiräume). Meine Grundhaltung ist, dass die hohe Baukultur nicht als Spitzensport für wenige, sondern als Breitensport für alle verstanden werden muss.
Wie wird sie von Ihnen definiert? Sind es soziologische, räumliche, ästhetische oder verfahrenstechnische Parameter, die zu hoher Baukultur führen?
Bei der hohen Baukultur fokussiere ich nebst dem ästhetischen und verfahrenstechnischen Parameter vor allem auf soziologische und räumliche Aspekte. Wie wir stadträumlich bauen und denken, definiert, wie sich die Menschen in der Stadt bewegen und welche Gesellschaft sich aus dieser Bewegung entwickelt. Das hat mehr mit einer grundsätzlichen städtebaulichen Abfolge, mit der Qualität von Aussenräumen und der Zugänglichkeit der Gebäude im Erdgeschoss zu tun, als es von der Gestaltung einer Fassade abhängt. Mein diesbezüglicher Grundsatz lautet: Funktioniert ein Stadtraum für Kinder und alte Leute, sprich können sie sich gefahrlos und eigenständig darin bewegen, dann funktioniert er auch für die Gesellschaft als Ganzes.
Hohe Baukultur bedeutet aber auch, dass man den Effort leistet, am richtigen Ort verdichtet zu bauen. Dies vor allem in Zentrumsgebieten, dort wo das Bevölkerungsaufkommen und -wachstum am grössten ist. Generell und speziell in Zentrumsgebieten gilt es, Gebäude zu bauen, die Generationen überdauern und nicht bereits nach wenigen Jahrzehnten als Abbruchobjekt taxiert werden müssen. Das heisst, dass mit hoher Ausnützung und mit einem hohen Anspruch an Material, Ästhetik und Funktionalität gebaut werden muss, damit die Gebäude ihren Wert langfristig erhalten können. Dies ist ein grundsätzlicher Anspruch an die Nachhaltigkeit einer Baute aber auch wichtiger Teil einer hohen Baukultur.
Welchen ökonomischen Wert hat denn die hohe Baukultur?
Das ist spannend, gerade aus der Sicht des Asset Managers. Lassen Sie mich als Beispiel die Typologie «Altbau an zentraler Lage» erwähnen; eine sehr interessante Liegenschaft in einem Immobilienportfolio. Ich spreche von langfristig funktionellen Gebäuden, die ästhetische und stadträumliche Qualitäten aufweisen und Innenräume haben, wie man sie im Neubau nur selten findet.
Wir werden mehr gesellschaftlichen und monetären Wert über Generationen hinweg generieren, wenn wir wieder langfristig bauen und Gebäude nicht laufend abbrechen und neu bauen müssen. Die Schweiz kann eine grosse Wertschöpfung und ökonomischen Wert generieren, wenn Gebäude heute mit der Technologie und der Gesellschaft von morgen im Kopf geplant und gebaut werden, wenn vermehrt auf qualitätsvolles Handwerk und echte Materialien gesetzt und ein generationenübergreifender Anspruch an die Qualität unserer Städte und Dörfer entwickelt wird.
Wie werden wir in 20 Jahren bauen?
Diese Antwort überrascht allenfalls: Ich hoffe, wie vor 200 Jahren. Dass wir Häuser bauen, die über Generationen halten, dass wir mit regionalen Materialien bauen und dass wir mit der Natur bauen und diese nicht über aufwändig bewässerte Fassaden herzustellen versuchen.
Interviewerin: Jenny Keller, Stiftung Baukultur Schweiz
Stiftung Baukultur Schweiz
Die Stiftung Baukultur Schweiz ist eine nationale, neutrale und politisch unabhängige Stiftung. Im Frühjahr 2020 gegründet, bringt sie Akteure zusammen, schafft Plattformen, initiiert Prozesse und macht sich stark für jene, welche die Grundlagen der Baukultur inhaltlich ausarbeiten oder diese in der Praxis umsetzen.